Lerne Ricky kennen

Ricky im Zentrum von Padua. Padua, Italien; Mai 2018. ©Pamela Kerpius

Ricky im Padua, Italien. 25 Mai 2018. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean

 

Von
Pamela Kerpius

Aufgenommen am:
25 Mai 2018

Veröffentlicht am:
Juni 2018


Übersetzung von:

Susanne Rinner



Lerne Ricky kennen.

Ricky ist 28 Jahre alt und kommt aus Anambra State, Nigeria.

Um Italien zu erreichen, musste er drei Länder durchqueren: Nigeria, Niger und das gefährlichste von allen, Libyen.

Seine Flucht dauerte insgesamt sieben Monate.

Ricky ging von Nigeria nach Agadez, Niger. Dort traf er eine LKW-Karawane, die die aus über 200 Menschen bestehende Gruppe durch die Wüste transportierte.

Ricky durchquerte die Sahara auf der offenen Ladefläche eines Kleinlasters, der so überfüllt war, dass auf der Ladefläche Stöcke befestigt waren, damit sich die Menschen an etwas festhalten konnten. Das war eine typische Vorkehrung für die Fahrt durch die Wüste; allerdings war sie nicht ausreichend. Viele Menschen fielen vom Laster und starben, sagte Ricky. Außerdem gab es nicht genug Wasser. Die Menschen tranken ihren Urin, um zu überleben.

Ricky kam in Sabha, Libyen an, dies war der erste Halt in dem Land, wo er zwei Monate lang eingesperrt war. Seine Augen wurden unruhig, als er sich erinnerte und darüber sprach, „es war so schrecklich.”

Er fasste sich an die Brust. „Es war so verdammt schrecklich dort.” Ricky und ich trafen uns zufällig und hatten keine Zeit, die Dinge, die er gesehen hatte besser zu beschreiben und zu verstehen. Sein Freund, Kensington (Nigeria), der zuhörte, sagte, dass er Flashbacks erlebte. Ricky verließ uns bald in großer Eile.

Überall hörte man viele Schüsse


Als die Schlepper Ricky durch Sabha fuhren, steckten sie ihn auf den Rücksitz und deckten ihn mit einer Decke zu, damit niemand sah, dass sie ihn in ihrer Gewalt hatten.

Als er freigelassen wurde, machte er sich auf den Weg nach Garian*. Er suchte nach Arbeit, aber drei Jungen – junge libysche Kinder mit Gewehren – entführten ihn und verkauften ihn an neue Schlepper.

Er wurde in einem Gefängnis in Garian drei Monate lang festgehalten. Wir wissen nichts über die Bedingungen dort oder welchen Menschenrechtsverletzungen er dort ausgesetzt war. Das einzige Detail, das er während unserer kurzen Begegnung erwähnte, war, dass „man überall Schüsse hörte.”

Er erreichte das an der Küste gelegene Lager, Sabratha, wo er bis zu seiner Einschiffung blieb.

Ricky überquerte das Mittelmeer in einem Gummiboot mit 300 Menschen, darunter auch alte Männer, Frauen, Kinder und zahlreiche Babys. Insgesamt war er acht Stunden auf dem Meer. Das Boot kenterte und brach in zwei Teile, alle landeten im Wasser. Ricky sah, wie eine Frau, die ihr Baby festhielt, ins Wasser sank und starb. Mehr Menschen ertranken um ihn herum.

Ricky wurde von einer deutschen Hilfsorganisation gerettet und wir glauben, dass er der italienischen Küstenwache übergeben wurde. Er erreichte Lampedusa am 10. Juni 2016.

Ricky ist ein erstaunlicher Mensch.

Seit seiner Überführung aus Lampedusa lebt Ricky lebt in Padova, Italien. Er versucht seine Flucht zu dokumentieren, um in Europa zu bleiben, aber da seine Geschichte noch nicht vollständig ist, wissen wir nicht, ob er die Aufenthaltsgenehmigung von den italienischen Gerichten erhalten hat. Wir haben uns in einem Park in der Mitte Padovas, Giardini dell’Arena, getroffen, wo sich viele Flüchtlinge, Obdachlose und diejenigen, die auf ihre Aufenthaltsgenehmigung warten, aufhalten. Mehr Details seiner Geschichte, vor und nach seinem Aufenthalt in Lampedusa, werden bald veröffentlicht. 

* Der Name dieser Stadt konnte nicht bestätigt werden.