Lerne Ali kennen

Alis Hände. Er wollte nicht, dass man ein Photo von ihm macht. Am Termini Hauptbahnhof in Rom. Rom, Italien; Mai 2018. ©Pamela Kerpius

Alis Hände. Er wollte nicht, dass man ein Photo von ihm macht. Am Termini Hauptbahnhof in Rom. Rom, Italien. 14 Mai 2018. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean

 

Von
Pamela Kerpius

Aufgenommen am:
14 Mai 2018

Veröffentlicht am:
Juni 2018


Übersetzung von:
Hafife Montgomery



Lerne Ali kennen.

31 Jahre alt und aus Dakar, Senegal.

Ali wollte nicht, dass man sein Gesicht auf Photos sieht. 

Um nach Italien zu kommen durchquerte er fünf Länder: Senegal, Mali, Burkina Faso, Niger und das gefährlichste von allen, Libyen.

Seine Reise dauerte mehr als vier Jahre. Er verließ Senegal im August 2012 und kam in Italien im September 2016 an. 

Er brauchte ca. sechs Tage um Agadez, Niger, zu erreichen, wo er bis zu seiner Wüstendurchquerung blieb.

Er durchquerte die Sahara auf der Ladefläche eines Kleintransporters zusammen mit etwa 40 Männern. Es war sehr heiß und die Reise nach Libyen dauerte insgesamt sechs Tage. Jeder Passagier hatte ca. fünf Liter Wasser mitgebracht und alle überlebten die Wüstendurchquerung. 

Er erreichte Sabha, Libyen, wo er ca. drei Monate lang blieb und in einem Geschäft arbeitete, um Geld zu verdienen.

Ali, vor dem Termini Hauptbahnhof in Rom. Mai 2018. ©Pamela Kerpius

Ali, vor dem Termini Hauptbahnhof in Rom. 14 Mai 2018. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean


Er wurde später gefangen genommen und in einem Gefängnis in Mizdah, einer Stadt, die ca. 180 km südlich von Tripolis liegt, gefangen gehalten. Weiteres über diese Gefangenschaft ist uns nicht bekannt. Bei der Gefangennahme nahm man ihm sein Geld und sein Telefon weg. Es gab sehr wenig zu Essen, ab und zu ein wenig Reis, aber nicht täglich.

Nach zwei Monaten bot ihm ein Mann eine Arbeit an und brachte ihn nach Tripolis. Er blieb dreieinhalb Jahre in Tripolis und arbeitete, zuerst als Wachmann für eine italienische Familie, dann beim „Latino”, einem Schnellimbiss in der Stadt. In beiden Fällen lebte er an seinem Arbeitsplatz: bei der Familie, die er bewachte, bzw. in einem Zimmer neben dem Restaurant. Er sagt, dass man ihn gut behandelte und ihm angemessene Mengen von Essen und Wasser gab. 

Als diese beiden Jobs beendet waren, hatte er keine Möglichkeit mehr, seinen Unterhalt zu verdienen. Er zog nach Sabratha weiter, um von dort aus das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren.

Er lebte drei Monate lang in diesem Küstenlager und schlief auf dem Boden, ohne Matratze oder ein Dach über dem Kopf. Er sagt, dass jene Zeit schwierig war. 

Um 4 Uhr morgens überquerte Ali das Mittelmeer in einem Schlauchboot zusammen mit 100 Menschen, darunter einige Kinder und Frauen. 

Seine Augen weiteten sich, als ich ihn fragte ob er auf dem Mittelmeer Angst hatte. „Ja, natürlich! Alle hatten Angst”, sagte er. 

Alle in seinem Boot überlebten die Überfahrt. Ali’s Boot wurde von Italienern (möglicherweise von der italienischen Küstenwache) gerettet, und sie kamen am 2. September 2016 in Calabria an, die südlichste Gegend von Italien bei Sizilien.

Ali ist ein erstaunlicher Mensch.


Ali lebt seit eineinhalb Jahren in Italien und der Schweiz und versucht, seinen Aufenthalt in Europa zu legalisieren. Ich traf ihn in Rom bei seiner Arbeit; er verkaufte Armbänder an Touristen. Weiteres über sein Leben und seine Integration in Europa wird bald folgen.