Lerne Baboucarr kennen

Baboucarr auf Lampedusa, 12 Tage nach seiner Rettung aus dem Mittelmeer. Lampedusa, Italien. 29 April 2017. ©Pamela Kerpius

Baboucarr auf Lampedusa, 12 Tage nach seiner Rettung aus dem Mittelmeer. Lampedusa, Italien. 29 April 2017. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean

 



Lerne Baboucarr kennen.

27 Jahre alt und aus Gambia.

Um nach Lampedusa zu gelangen, durchquerte er sechs Länder: Gambia, Senegal, Mali, Burkina Faso, Niger, und das gefährlichste von allen, Libyen.

Seine Reise dauerte insgesamt ungefähr vier Monate. Er verließ Gambia am 26. Dezember 2016.

Er nahm einen Bus von Senegal nach Mali. In einem weiteren Bus fuhr er von Mali nach Burkina Faso. Wiederum per Bus gelangte er von Burkina Faso nach Agadez im Niger. Insgesamt brauchte er 20 Tage, um nach Agadez zu kommen.

Er blieb drei Wochen in Agadez und arbeitete als Schneider in einer Kleiderfabrik.

Er durchquerte die Sahara in einem Pick-up mit 23 anderen Menschen. Er hatte 5 Liter Wasser dabei, aber das reichte nicht aus. Mitreisende teilten ihren Wasservorrat mit ihm, so dass er die viertägige Reise überlebte.

 „Ich sehe Menschenskelette. Ich sehe vieles. Sogar die Tiere sterben in der Wüste, genau wie die Menschen.”

Baboucarr blieb 20 Tage in Sicadim (der Name der Stadt ist nicht verifiziert) und wartete auf einen Schlepper, der nicht kam. Es war dort nicht sicher, und er musste sich verstecken. Er und die anderen Migranten legten ihr Geld zusammen, um Essen und Wasser zu kaufen. Zu zweit gingen sie jeden Tag zum Einkaufen in die Stadtmitte.

Er trank dreckiges Wasser aus einem Brunnen, was ihn krank machte.

Er blieb eine Nacht in Gadro (der Name der Stadt ist nicht verifiziert), einem Transferplatz, auf dem Weg nach Sabha, Libyen.

Baboucarr blieb zwei Wochen in Sabha in einem Lager, was er als  „Ghetto” bezeichnete. Wahrscheinlich war es ein dort typisches Lager, in dem er gefangen gehalten wurde. Er sagte, dass die Bewacher diejenigen, die das Lager verlassen schneiden würden, und deshalb blieb er an Ort und Stelle.

Ihm wurde Wasser gegeben, das nicht für das Trinken gereinigt war.

Er reiste nach Bani Waled und blieb dort 11 Tage. Bani Waled ist mir in Interviews und Gesprächen regelmäßig als einer der schlimmsten, vielleicht sogar der schlimmste und gefährlichste der Zwischenstopps entlang der libyischen Schlepperroute beschrieben worden.

Nach Baboucarr’s Einschätzung wurden mehr als 600 Migranten im Lager in Bani Waled gefangen gehalten. Es war ein  „großes, großes, großes Lager”, betonte er. Das Lager bestand aus einer einzigen Halle, in der Menschen auf dem Boden schliefen. Es gab nur sehr wenig zu essen: ein Stück Brot kostete 1 Dinar; hatte man kein Geld, bekam man nichts zu essen. Die Wächter würden sich der Migranten erbarmen, die kein Geld hatten, aber erst nachdem sie sie verprügelt hatten. Baboucarr wurde auch verprügelt, denn er hatte nicht jeden Tag das nötige Geld.

Prügel gab es täglich.

Die Wächter stehlen die Handys der Migranten, wenn sie diese entdecken. Sie wollen nicht, dass jemand herausfindet wo sie sind, oder was sie tun, und daher schneiden sie jede Kommunikation ab.

Alle denken, dass sie heute
sterben werden.
 


Baboucarr zog nach Tripoli weiter und versteckte sich dort für drei Tage in einem Lager. In diesem Lager wurden mehr als 100 Migranten festgehalten. Er hungerte 2 Tage lang, weil es kein Essen gab (oder er konnte sich kein Essen leisten). Wasser war knapp. Er wusch sich nicht. Nur einmal wusch er sein Gesicht.

Er zog nach Sabratha und blieb mehr als einen Monat in dem Küstenlager. Das Lager hat keine Baracken, und man schläft unter freiem Himmel. „Es ist sehr kalt. Sehr kalt,” betonte er, und fügte hinzu, dass man manchmal wegen der kalten Meeresluft nicht schlafen kann.

Das Leitungswasser, zu dem er Zugang hatte, kam aus dem Meer und war salzig, und daher untrinkbar. Er arbeitete, damit er Essen kaufen konnte. Jeden Tag ging er das Risiko ein, das Lager zu verlassen und zur Arbeit zu gehen, obwohl seine arabischen Arbeitgeber ihn manchmal nicht bezahlten. Oft bekam er Wasser oder Essen als Bezahlung für seine Arbeit.

Sein Boot stach eines Abends in See, aber bevor es die internationalen Gewässer erreichte wurde es von der libyschen Polizei abgefangen. Die Polizei zerschnitt das Boot, so dass es nicht mehr fahren konnte, und Baboucarr kam ins Gefängnis; er wurde dort zwei Wochen gefangen gehalten. Es gab kein Essen. Es gab nur dreckiges Leitungswasser zu trinken. Er floh und kehrte an die Küste zurück, wo er sich einen weiteren Monat aufhielt.

Baboucarr durchquerte das Mittelmeer in einem Schlauchboot mit 168 Menschen, darunter 30 Frauen, von denen zwei schwanger waren, und sechs Kindern.

Die Erfahrung der Meeresfahrt bei Nacht beschrieb er wie folgt:  „Menschen weinen. Man sieht nur Wasser und sonst nichts. Alle denken, dass sie heute sterben werden.”

Er war 10 Stunden auf See bevor er von der Guardia Costiera gerettet und nach Lampedusa gebracht wurde, wo er am Ostersonntag, den 16. April 2017 um 6:00 Uhr ankam.]

Baboucarr ist ein erstaunlicher Mensch.

Übersetzung von: HH