Lerne Emmanuel kennen

Emmanuel in einem Cafe in Neapel, Italien. November 2017. ©Pamela Kerpius

Emmanuel in Neapel, Italien. 30 November 2017. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean

 

Von
Pamela Kerpius

Aufgenommen am:
30 November 2017

Veröffentlicht am:
Dezember 2017


Übersetzung von:
Hannah Holtschnieder



Lerne Emmanuel kennen.

21 Jahre alt und aus Delta State, Nigeria.

Um nach Italien zu kommen, durchquerte er drei Länder: Nigeria, Niger und das gefährlichste von allen, Libyen.

Seine Reise dauerte ungefähr drei Monate.

Die Fahrt von Nigeria nach Niger war kompliziert, denn er musste auf dem Weg in mehrere Autos umsteigen. Am Anfang umfasste seine Gruppe nur zwölf Menschen; sie wuchs auf 18 Passagiere an, als er in den Transporter nach Agadez im Niger stieg. Insgesamt dauerte die Reise durch Nigeria, über die Grenze nach Niger und weiter nach Agadez ca. fünf Tage.

Warum verlassen Menschen
auf diese Art ihre Heimat?
 


In Agadez blieb er mit 17 anderen Migranten drei Tage in einem Haus ohne Fenster. Sie durften das Haus nicht verlassen. „Ich hatte solche Angst”, sagte er.

„Man sieht so viele Menschen. Ich war so überrascht - Warum verlassen Menschen auf diese Art ihre Heimat”? dachte er, als er Agadez verließ.

Emmanuel durchquerte die Sahara auf der Ladefläche eines Transporters mit 32 Menschen, darunter Frauen und kleine Kinder. Bei der Abfahrt hatten sie Wasser an Bord, aber nach einiger Zeit wurden sie von einem Fahrzeug der UN gesichtet und der arabische Fahrer des Transporters goss das Wasser aus und fing an, Passagiere aus dem Transporter zu werfen.

Emmanuel wurde von der UN versorgt, er bekam Essen und Wasser und wurde dann nach Agadez zurückgebracht. Noch am gleichen Tag versuchte er auf einem anderen Transporter die Sahara zu durchqueren.

 
Ich bete einfach.
Ich bete und bete und bete…
 


Sein zweiter Versuch die Wüste zu durchqueren dauerte fast eine Woche. Er sagte, dass mindestens vier Menschen starben. Der Transporter hielt nicht an, um den Zusammengebrochenen zu helfen und wenn er die Fahrer bat zu warten, hielten sie das Fahrzeug an und schlugen ihn zusammen.

Er beschrieb die Erfahrung der Wüstenfahrt als total verwirrend und beschwerlich: „Ich hatte nicht mal Appetit”, sagte er. Wir stellen uns die Wüste heiß vor und das ist sie auch; aber nachts sinken die Temperaturen und er hatte keine warme Jacke dabei. Er hatte keine Möglichkeit, sich zu orientieren und wusste nicht, wo er war. „Ich bete einfach. Ich bete und bete und bete…”

Nach seiner Ankunft in Sabha, Libya wurde er fünf Tage lang in einem Lager eingesperrt, in dem sich mehr als 100 Menschen versteckten. Die anderen Migranten teilten ihr Essen mit Emmanuel.

Er verließ Sabha heimlich und reiste nach Sabratha, dem Küstenlager in der Nähe von Tripoli. Dieser Teil seiner Flucht dauerte zwei Wochen. In Sabratha arbeitete er außerhalb des Lagers für einen „bösen” Mann, der ihn in seinem Orangenhain beschäftigte. Er wurde nicht bezahlt. Er wurde geschlagen. Er aß nur einmal am Tag. Nach zwei Wochen gelang Emmanuel die Flucht; es war 1 Uhr nachts und er hatte sich in der Stadt verlaufen. Während er versuchte, seinen Standort zu bestimmen, hörte er Schüsse.


Ein anderer Mann, der ein bisschen Englisch sprach, gab ihm Arbeit. Zwei Monate lang arbeitete er tagsüber ohne Bezahlung in der Autowäsche des Mannes. Er wurde auf dem Grundstück des Mannes festgehalten und bekam Essen und einen Schlafplatz.

Eines Nachts wollte der Mann ihn loswerden und brachte ihn endlich zur Küste bei Sabratha und erwartete, dass Emmanuel dort das Boot finden würde. Bevor er nach Libyen kam, hatte Emmanuel keinen Plan nach Europa zu kommen. „Ich dachte nicht daran, nach Italien zu gehen”, erklärte er, aber, so sagte er, „die Lage in Libyen war so schlecht, ich wusste nicht, was ich tun sollte.” Er sagte, dass der Mann, der ihn in seiner Autowäsche als Sklaven gehalten hatte, ihn in das Boot setzte.

Emmanuel überquerte das Mittelmeer um Mitternacht in einem Schlauchboot mit ca. 130 Menschen, darunter Frauen, Kinder und ein Baby. Er konnte das Wasser nicht sehen, denn er saß tief in der Mitte der Passagiere.

Er wurde gegen 10 oder 11 Uhr von der Guardia Costiera gerettet und ging in Catania in Sizilien am 24. November 2016 an Land. Im Bus, der die neuen Migranten zum Aufnahmelager brachte, traf er a–. Sie saßen nebeneinander und sind seitdem eng befreundet.

Emmanuel ist ein erstaunlicher Mensch.

 
 
In Neapel, Italien; November 2017. ©Pamela Kerpius

In Neapel, Italien. 30 November 2017. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean