Lerne Mohammed kennen

Mohammed in Baexem, Holland. 7. April 2021. ©Pamela Kerpius

Mohammed in Baexem, Holland. 7. April 2021. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean

 



Lerne Mohammed kennen.

16 Jahre alt und ursprünglich aus Sierra Leone. Als kleiner Junge war er nach Gambia gezogen.

Um nach Italien zu kommen, durchquerte er sechs Länder: Gambia, den Senegal, Mali, Burkina Faso, den Niger und das gefährlichste von allen, Libyen.

Seine Reise dauerte etwa neun Monate.

Mit seinem Onkel, Alpha, fuhr er mit dem Bus durch Westafrika bis sie in Agadez im Niger ankamen. In Agadez lebte er für zwei Monate versteckt, mit nur wenig Nahrung und Trinkwasser von schlechter Qualität.

Mohammed durchquerte die Sahara auf der Ladefläche eines Pickups zusammen mit 21 weiteren Menschen, die alle eng aneinander gepfercht waren. Sie fuhren in einer Wagenkolonne, jedes Fahrzeug voll mit Passagieren. Er sah, wie Menschen in der Wüste vergraben waren. Er sah, dass andere Fahrzeuge liegengeblieben waren. “Nicht jeder schafft es,” sagte er. Die Durchquerung der Wüste, ausgestattet allein mit schlechtem Brunnenwasser zum Trinken, ereignete sich zwei Tage bevor er Gadron in Libyen erreichte.

Sein nächster Halt war Sabha in Libyen, wo er für vier Monate blieb. Einen Monat lang war er in Gefangenschaft, die anderen drei war er frei. Tagsüber arbeitete er, doch er wurde nicht immer bezahlt. Bei Arbeitsbeginn wurde ihm ein Lohn versprochen, doch ausgezahlt wurde er ihm nicht immer.

Er lebte in einem Lager mit weiteren 100 Menschen, so schätzt er, doch es waren so viele, dass er sie “nicht zählen konnte”. Das Essen, das er hatte, musste er sich selbst beschaffen, “und manchmal gab es gar nichts zu essen,” sagte Mohammed.

Viele um ihn herum wurden ins Gefängnis gesteckt und gegen Lösegeldforderungen festgehalten. Keiner von ihnen wurde freigelassen, bevor nicht die Familie das Lösegeld bezahlt hatte. Schlepper verprügeln ihre Gefangenen bis das Geld da ist. “Manche verlieren ihr Leben,” sagte Mohammed.

Doch sein Onkel Alpha traf eine Vereinbarung mit den Schleppern, sie konnten weiter reisen und kamen nach Tripolis, wo sie einen Monat blieben. Dort saß er drinnen fest, denn in der Stadt tobten Kämpfe – auf den Straßen gab es offene Schießereien.

Während dieser Zeit hatte er kaum Nahrung und nur salziges Leitungswasser zur Verfügung. Mit seinem Onkel machte er sich auf den Weg nach Sabratha, wo sie drei Wochen lang blieben. Doch das Küstenlager war überfüllt, sodass er ungeschützt im Freien schlafen musste. Es war Winter und deshalb kalt.

Eines nachts bekamen Mohammed und Alpha den Anruf, dass es Zeit sei, in See zu stechen. Das war an einem Donnerstag um neun oder zehn Uhr abends im Januar 2019. Mohammed wurde einem Boot zugeteilt und Alpha einem anderen.

Mohammed überquerte das Mittelmeer in einem Schlauchboot mit über 100 Menschen an Bord, darunter mehr als 20 Frauen, manche von ihnen schwanger, sowie mehr als zehn Kinder und Babys. Ein Mann an Bord starb, nachdem er aus einem Kanister Benzin trank, das er für Wasser gehalten hatte.

Mohammed trieb neun Stunden lang auf See bevor ihn ein Schiff des italienischen Roten Kreuzes rettete. Er blieb drei Nächte lang an Bord und erreichte Catania auf Sizilien am 28. Januar 2019.

Er wartete auf Nachricht von Alpha. Doch das Boot, auf dem sich sein Onkel befunden hatte, war gekentert und er starb. Wir trafen Mohammed, nun 18-jährig, am 7. April 2021 in Baexem in den Niederlanden, wo er uns seine Geschichte erzählte.

Mohammed ist ein erstaunlicher Mensch.

Übersetzung von: FW