Lerne Pazi kennen

Pazi auf der Insel Lampedusa, ungefähr einen Monat nach seiner Rettung auf See, Lampedusa, Italien. November 2016. ©Pamela Kerpius

Pazi auf der Insel Lampedusa, ungefähr einen Monat nach seiner Rettung auf See, Lampedusa, Italien. November 2016. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean

 



Lerne Pazi kennen.

Er ist 23 Jahre alt und kommt aus Gambia.

Er durchquerte sechs Länder, um nach Lampedusa zu gelangen: Gambia, Senegal, Burkina Faso, Mali, Algerien und das gefährlichste von allen, Libyen.

Seine Reise dauerte neun Monate. Anstatt wie die meisten anderen die Wüste durch Agadez, Niger zu durchqueren, durchquerte er Algerien. Er hatte Glück und fand Zuflucht in Algerien bei einem Mann, der ihm erlaubte, im Garten seiner Familie zu arbeiten. Die Familie stellte Essen und Unterkunft bereit. Er war sicher, während er genug Geld verdiente, für den nächsten Schritt seiner Reise. Er blieb vier Monate in Algerien.

Als er nach Libyen ging, entführte ihn algerische Militär. Seine Beine wurde gebunden und er wurde geschlagen. Sein Geld wurde gestohlen. Er konnte mit einem ranghöheren Funktionär verhandeln, und er bekam die Hälfte seines Geldes zurück.

Er reiste nach Libyen, wo Schmuggler Menschen so end in einen Lastwagen packten, dass sie sich weder bewegen noch atmen konnten. Der Lastwagen hatte keine Fenster, und es gab keine Luft. Es waren kleine Kinder im Lastwagen, ungefähr fünf Jahre alt, sagt er. Es waren Frauen und Mädchen und Babys im Lastwagen. Die Leute weinten.

Die Schmuggler verkauften den Lastwagen an die libysche Polizei. Auf diese Weise ehöhen die Schmuggler ihren Gewinn und geben der Polizei die Chance, ebenfalls von Pazis Gefangennahme zu profitieren. Pazi versuchte zu rennen, aber er wurde gefangen genommen und geschlagen.

Er war drei Monate in einem libyschen Gefängnis, irgendwo innerhalb der Stadtgrenzen von Tripolis. Er bekam jeden Tag zwei Handvoll einer Mehl-Wasser-Mischung zum Essen. Das Trinkwasser war salzig. Die Gefangenen waren dehydriert und husteten. Er schätzte, dass 500 Menschen im Gefängnis waren. Einige Gefangene hatten keinen Platz zum Schlafen. Es gab Streitereien unter den Gefangenen. Wächter schnitten den Menschen die Augen aus. Da waren junge nigerianische und gambische Mädchen – 15, 16, 17 Jahre alt. Es gibt keine Sanitärprodukte für die Mädchen – überall war „Blut“, sagte. Babys kamen im Gefängnis zur Welt.

Ich sah auf und ich sah nach
unten und es gab nichts.
Es war niemand anderes da als Gott.
 


Um aus dem Gefängnis entlassen zu werden, muss man einen Ansprechpartner in Tripolis haben, über den die Polizei die Familie kontaktieren kann, um Geld für die Freilassung zu erpressen. Die Polizei macht die teuren Anrufe nicht selbst. Pazi hatte keine Verbindungen.

Nach drei Monaten floh er. Er arbeitete für ausbeuterische Arbeitgeber in Tripolis, die ihm am Endes des Tages nicht den vereinbarten Lohn zahlten, und ihm manchmal gar nicht bezahlten. Er brauchte einen Monat, um 1000 Dinare (er vermutete, ungefähr 500 Euro) zu verdienen, und die Überfahrt auf dem Boot zu bezahlen.

Er durchquerte das Mittelmeer um 1:00 Uhr morgens mit einem überladenen Schlauchboot mit 136 Personen. Es war sehr dunkel und die Mädchen im Boot weinten.

„Ich sah auf und ich sah nach unten und es gab nichts. Es war niemand anderes da als Gott.“ Er betete zu Allah.

Ein deutsches Rettungsschiff holte sie nach 10 Stunden auf dem Schlauchboot aus dem Wasserr betonte nachdrücklich: die Deutschen waren unglaublich freundlich. „Ich würde diese Leute gerne wieder treffen. Sie waren so nett.“

Er wurde auf ein Schiff der italienischen Küstenwache transferiert und nach Lampedusa gebracht, wo er etwa einen Monat im Hotspot ist. Diese Übergabestelle für Flüchtlinge soll eigentlich nur für 72 Stunden belegt werden.

Pazi ist intelligent und lustig. Er hat die10. Klasse abgeschlossen, und möchte wieder zur Schule gehen. Er spricht viele Sprachen. Er kann Nähen, was früher seine Arbeit in Gambia war. Pazis Traum ist es, ein Künstler, ein Musiker zu sein – er kann auch ein bisschen singen.

Pazi ist ein erstaunlicher Mensch.

Übersetzung von: SA

Read Pazi's one-year followup story, recorded November 2017 (English) >