Lerne Sama kennen

Sama in seiner Unterkunft in den Bergen, nahe Bergamo, Italien. November 2017. ©Pamela Kerpius

Sama in seiner Unterkunft in den Bergen, nahe Bergamo, Italien. November 2017. ©Pamela Kerpius/Migrants of the Mediterranean

 



Lerne Sama kennen.

28 Jahre alt und aus Kamerun.

Um nach Italien zu gelangen, durchquerte er sechs Länder: Kamerun, Nigeria, den Niger, Algerien, Marokko, und das gefährlichste von allen, Libyen.

Nachdem er Kamerun und Nigeria durchquert hatte, hielt er sich für drei Monate im Niger auf um Geld zu sammeln. Von dort aus ging es für ihn weiter Richtung Algerien und Marokko, von wo aus er eingangs hoffte, über den Seeweg nach Spanien zu kommen. Aber in Marokko waren seine finanziellen Ressourcen weiterhin knapp, und die Reisevorbereitungen kompliziert. Er und andere Migranten wurden von einem Ort auf verschiedene Städte verteilt. Sama landete wieder in Fes in Marokko, bevor er sich auf den Weg nach Algerien machte.

Sama durchquerte die algerische Wüste zu Fuß. Er erreichte Libyen und blieb insgesamt zwei Wochen und drei Tage im Land: zuerst zwei Wochen in Sabha, dann kam er direkt nach Sabratha, der Küstenstadt westlich von Tripolis, wo er für die restlichen drei Tage blieb.

Seit seiner Zeit in Algerien war er an Durchfall erkrankt. Als er schließlich in Sabratha ankam, war er davon geschwächt und konnte nicht essen. Er verdankt sein Überleben dort seinen Freunden, ebenfalls Migranten, die über ihn Wache hielten und ihn zum Essen drängten.

Ich kenne nicht einmal den Vater
meines Kindes,’ erzählte die Frau Sama.
 


Er beschrieb das Lager als gefährlich. Er sagte, dass libysche Schlepper von Zeit zu Zeit darin umherwandern und Schüsse abfeuern würden, um die Menschen einzuschüchtern. Frauen wurden dort gefangen gehalten und vergewaltigt. Sama sagte, dass eine schwangere Frau mitgenommen und mehrfach vergewaltigt wurde, und dass auf ihrem Bauch Zigaretten ausgedrückt wurden. Er sah die Brandnarben auf ihrem Bauch.

„Ich kenne nicht einmal den Vater meines Kindes,” erzählte die Frau Sama, denn sie war von vielen verschiedenen Männern in Libyen vergewaltigt worden. Er sagte, dass selbst an dem Zeitpunkt, als sein Boot von der Küste weggeschoben wurde, Männer noch immer nach Frauen griffen, um sie zu vergewaltigen. Etwa sechs, so sagt er, wurden mit Gewalt festgehalten, als das Boot wegfuhr.

Sein Boot entfernte sich von der Küste, doch es kehrte schnell zurück als eine Gruppe libyscher Piraten das Boot zurücktrieb, die Rettungswesten stahl und die Flüchtenden zwang, ihr Hab und Gut, darunter auch ihre Handys, ins Meer zu werfen. „Sie wollten, dass wir sterben,” sagte Sama.

Um 2 Uhr morgens in derselben Nacht durchquerte Sama in einem Schlauchboot mit 125 Menschen das Mittelmeer. Er konnte nichts sehen, denn er dachte nur daran, wie froh er war, nicht mehr in Libyen zu sein. „Der Mond schien,” fügte er noch hinzu.

Als sie auf dem offenen Meer waren, weit genug von der Küste entfernt, bauten die Schlepper, die den Flüchtenden gefolgt waren, den Motor des Bootes aus, und die Flüchtenden wurden treibend auf offener See zurückgelassen.

 
Sie verändern dein Leben.
 


Sama wurde um 10 Uhr morgens von Proactiva Open Arms gerettet, einem spanischen NGO-Rettungsschiff, . Alle im Boot überlebten. Auf dem Rettungsschiff traf er Menschen, die während der Überfahrt Brandwunden vom Benzin erlitten hatten. Eine Frau war nackt und mit offenen Brandwunden bedeckt – das passiert häufig, wenn sich austretendes Benzin aus dem Motor des Bootes mit dem salzigen Meerwasser mischt.

Open Arms kümmerte sich bestmöglich um die Flüchtenden und sorgte dafür, dass sie sich zuhause fühlten.

„Ich liebe sie,” sagte Sama über Open Arms.

„Das sind nette Menschen, sehr einladend. Obwohl du auf See bist, hast du das Gefühl, du seist schon in Italien.” Open Arms spielte Musik, um sie aufzumuntern und alle tanzten, “sie verändern dein Leben,” sagte er.

Sama kam am 13. Juli 2017 auf Sizilien an.

Heute nimmt Sama regelmäßig Italienischunterricht in seiner Unterkunft in einer kleinen Bergstadt nahe Bergamo in Italien. Er liebt Italien und möchte die Sprache beherrschen. Außerdem möchte er ein Fußballer werden – und obwohl er Italien liebt, ist Real Madrid noch immer sein Lieblingsteam. Wenn er nicht professionell Fußball spielen kann, dann möchte er den weniger Privilegierten helfen und die Obdachlosen in Italien und andere Migranten unterstützen.

„Ich möchte mein Bestes geben, um jemanden, der traurig ist, glücklich zu machen.”

Sama ist ein erstaunlicher Mensch.

Übersetzung von: FW